Erforderliche und mögliche Aufmerksamkeit: Mitschuld bei Kollision eines Linksabbiegers mit unbeleuchtetem Fahrzeug möglich

Artikel vom 03.11.2025

Wer am frühen Abend mit seinem unbeleuchteten Auto einen Unfall verursacht, muss haften. Erst recht in der Winterzeit, oder etwa nicht? Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) musste sich mit einer solchen Sachlage befassen. Die Kollegen vom Landgericht (LG) stimmten dem Anspruch des Geschädigten nämlich nicht zu 100 % zu. Denn obwohl dieser sein Fahrzeug ordnungsgemäß beleuchtet hatte, war er als Linksabbieger nicht gänzlich unbeteiligt an dem Malheur.

Wer am frühen Abend mit seinem unbeleuchteten Auto einen Unfall verursacht, muss haften. Erst recht in der Winterzeit, oder etwa nicht? Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) musste sich mit einer solchen Sachlage befassen. Die Kollegen vom Landgericht (LG) stimmten dem Anspruch des Geschädigten nämlich nicht zu 100 % zu. Denn obwohl dieser sein Fahrzeug ordnungsgemäß beleuchtet hatte, war er als Linksabbieger nicht gänzlich unbeteiligt an dem Malheur.

Der Autofahrer wollte von einer Hauptverkehrsstraße links abbiegen. Aufgrund der Dunkelheit – wir befinden uns im Monat März so zwischen halb sieben und sieben Uhr am frühen Abend – übersah der Abbiegende das entgegenkommende Fahrzeug. Das wundert nicht, denn dieses Auto war unbeleuchtet. Und so kam es dann auch zur Kollision. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug an der Unfallstelle 70 km/h. Zum Unfallzeitpunkt waren die Straßenlaternen und der Lichtmast bereits eingeschaltet. Der Autofahrer forderte Schadensersatz von der gegnerischen Versicherung. Diese zahlte jedoch nur 2/3 des entstandenen Schadens, da sie der Ansicht war, dass das bei ihr versicherte Fahrzeug bei gebotener Aufmerksamkeit auch ohne Beleuchtung hätte erkannt werden können. Der Autofahrer bestand aber auf die Erstattung von 100 % des verlangten Schadensersatzes, was das LG abwies. Damit wollte es der Mann nicht gut sein lassen und ging vor das OLG.

Das OLG wies ihn jedoch auf die Erfolglosigkeit der Berufung gegen das Urteil des LG hin und bestätigte die Auffassung der ersten Instanz. Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Entgegenkommende bei der erforderlichen und möglichen Aufmerksamkeit hätte erkannt werden können. Zwar sei die Tatsache, dass dieser kein Abblendlicht eingeschaltet hatte, als grober Pflichtenverstoß zu werten, dennoch sei eine Mithaftung des Linksabbiegers von 1/3 angemessen. Die Einholung eines Gutachtens war indes nicht möglich, da die genauen Sichtverhältnisse am Unfalltag nicht rekonstruierbar waren.

Hinweis: Der entgegenkommende Autofahrer hat gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verstoßen, weil er wegen der bereits zum Unfallzeitpunkt eingetretenen Dämmerung ohne Abblendlicht gefahren ist. Der Kläger hat aber ebenfalls sorgfaltswidrig gehandelt, weil er – trotz Sichtbarkeit des unbeleuchtet entgegenkommenden Fahrzeugs – gleichwohl nach links abgebogen ist, ohne seiner Wartepflicht zu genügen (§§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 3 Satz 1 StVO). Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Für den Linksabbieger besteht eine entsprechende Wartepflicht. Sein Verschulden war daher mit 1/3 zu bewerten.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 07.07.2025 – 7 U 41/25

zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2025)

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