Testamentsauslegung: “Unsere Kinder” kann in der Gesamtbetrachtung den Stiefsohn miteinbeziehen

Artikel vom 01.09.2025

Wie so oft in Erbschaftsangelegenheiten war auch in disem Fall die Frage, was mit einer Formulierung in einem gemeinschaftlichen Testament zweier Eheleute konkret gemeint sein könnte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) betrachtete die Gesamtlage und traf hinsichtlich einer allgemeinhin im Sprachgebrauch und in Testamenten nicht ungewöhnlichen Formulierung eine folgerichtige Entscheidung.

Wie so oft in Erbschaftsangelegenheiten war auch in disem Fall die Frage, was mit einer Formulierung in einem gemeinschaftlichen Testament zweier Eheleute konkret gemeint sein könnte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) betrachtete die Gesamtlage und traf hinsichtlich einer allgemeinhin im Sprachgebrauch und in Testamenten nicht ungewöhnlichen Formulierung eine folgerichtige Entscheidung.

Der Erblasser und seine bereits vorverstorbene Ehefrau hatten zwei gemeinsame Kinder. Darüber hinaus lebte der Sohn der Ehefrau aus einer früheren Beziehung bis ins Erwachsenenalter im gemeinsamen Haushalt der Eheleute. Diese hatten zu Lebzeiten ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt und sich darin gegenseitig zu Alleinerben bestimmt. Nach dem Tod des Überlebenden sollte der Nachlass zu gleichen Teilen “an unsere Kinder” gehen. Das Testament enthielt darüber hinaus eine Pflichtteilsstrafklausel sowie eine sogenannte Wiederverheiratungsklausel, die besagte, dass bei einer erneuten Heirat des Überlebenden 3/4 des damaligen Nachlasswerts “den Kindern” als Vermächtnis ausgezahlt werden sollten. Nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 2020 errichtete der Erblasser im Jahr 2022 ein weiteres Einzeltestament, in dem er die beiden ehelichen Söhne als Erben einsetzte. Ein zunächst den ehelichen Kindern erteilter gemeinschaftlicher Erbschein wurde durch das Nachlassgericht wieder eingezogen mit der Begründung, dass auch der Stiefsohn erbberechtigt sei. Hiergegen wandten sich die gemeinsamen Söhne der Eheleute – allerdings ohne Erfolg.

Das OLG kam bei der Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass mit dem Begriff “unsere Kinder” auch Stiefkinder gemeint sein können. Die Eheleute haben nach Ansicht des Gerichts ihre Erbfolge umfassend regeln wollen, wofür nicht nur die gegenseitige Erbeinsetzung, sondern auch die Pflichtteilsstrafklauseln und die Regelung zur Wiederverheiratung sprechen. Insbesondere die letztgenannte Regelung ergebe mit einer Aufteilung des Nachlasses zu 3/4 nur Sinn, wenn alle drei Kinder mit der Regelung gemeint gewesen seien. Da das gemeinschaftlich errichtete Testament wechselbezügliche Verfügungen enthielt, konnte dieses auch nach dem Tod der Ehefrau nicht mehr einseitig abgeändert werden.

Hinweis: Bei der Gestaltung einer letztwilligen Verfügung ist auf eine präzise Formulierung zu achten. Die übliche Formulierung “unsere Kinder” kann missverständlich sein, sobald nicht nur gemeinschaftliche Kinder vorhanden sind.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.07.2025 – 1-3 Wx 116/25

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)

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