Gesamtwürdigung aller Umstände: Zuständigkeit des Nachlassgerichts bei Aufenthalt des Erblassers im Hospiz

Artikel vom 05.05.2025

Die Zuständigkeit des Nachlassgerichts orientiert sich am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Im Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) ging es um die konkrete Frage, ob der Aufenthalt eines Erblassers in einem Hospiz seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen könne, obwohl seine nach wie vor vorhandene Wohnung erst nach seinem Tod aufgelöst wurde.

Die Zuständigkeit des Nachlassgerichts orientiert sich am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Im Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) ging es um die konkrete Frage, ob der Aufenthalt eines Erblassers in einem Hospiz seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen könne, obwohl seine nach wie vor vorhandene Wohnung erst nach seinem Tod aufgelöst wurde.

Der im Jahr 2022 verstorbene ledige und kinderlose Erblasser lebte seit zehn Jahren in einer eigenen Wohnung, die auch erst nach seinem Tod aufgelöst wurde. Etwa drei Monate vor seinem Tod wurde der Erblasser auf eigenen Wunsch hin von einem Krankenhaus in ein Hospiz verlegt. Aus seinem Antrag auf stationäre Hospizpflege ging hervor, dass sowohl seine Eltern als auch seine Lebensgefährtin in dem Ort lebten, in dem sich auch das Hospiz befand. Die Verlegung erfolgte mit ausdrücklicher Begründung einer psychosozialen Begleitung durch die Angehörigen. Nach dem Tod des Mannes leitete das zunächst angerufene Nachlassgericht des ursprünglichen Wohnorts des Erblassers das Verfahren zuständigkeitshalber an das zuständige Nachlassgericht weiter, das in dem Gebiet des Hospizes lag. Von dort aus wurde schließlich auch ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt. In der Folge entstand jedoch ein Streit über die Frage, ob der Erbschein vom zuständigen Gericht erteilt wurde, und falls nicht, ob er wegen Unrichtigkeit einzuziehen sei.

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung über den gewöhnlichen Aufenthalt die Lebensumstände des Erblassers in den letzten Jahren sowie im Zeitpunkt seines Todes in den Fokus. Für die Bewertung eines gewöhnlichen Aufenthalts spielen unter anderem die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts, die persönliche Bindung, Gründe für den Aufenthalt, ein subjektiver Aufenthaltswille und das soziale und kulturelle Umfeld eine entscheidende Rolle. Das Gericht stellte klar, dass es für die Beantwortung der Frage nach einem gewöhnlichen Aufenthalt keine bestimmte Mindestdauer gebe. Bedeutsamer sei die Intensität der sozialen Einbindung in das Umfeld. Bei einer Unterbringung in einem Hospiz sei es so, dass der bloße Wechsel nicht automatisch einen gewöhnlichen Aufenthalt begründe. Entscheidend sei vielmehr die Gesamtwürdigung aller Umstände, wobei hier insbesondere eine Rolle spielte, dass der Erblasser sich bewusst für ein Hospiz in der Nähe seiner Eltern entschieden habe und sein Wunsch durch die Begleitung durch Angehörige dokumentiert sei. Das Hospiz lag zudem im Herkunftsort des Erblassers, was für eine Rückkehr zu einem vertrauten sozialen Umfeld sprach. Der Umstand, dass die eigene Wohnung nicht aufgelöst worden sei, ist daher nicht entscheidend, da es keinen Hinweis gegeben habe, dass der Erblasser eine Rückkehr nach dorthin in Erwägung gezogen habe.

Hinweis: Eine nur vorübergehende Unterbringung in einem Krankenhaus führt in der Regel nicht zu einer Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 17.03.2025 – 3 Wx 65/24

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

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