Zur sogenannten fiktiven Abrechnung wird im Schadensfall ermittelt, welcher Betrag für die Schadensbeseitigung am Fahrzeug nötig ist. Dieser Betrag gilt – egal, ob der Geschädigte den Schaden damit beseitigen lässt, und wenn ja, für welchen tatsächlichen Betrag. Dass der gegnerische Versicherer hingegen darauf besteht, dass der im Reparaturfall angefallene Betrag nachgewiesen und auch nur dieser dann beglichen wird, stieß vor dem Bundesgerichtshof (BGH) auf Widerstand.
Der Kläger hat nach einem Verkehrsunfall seines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs ein Gutachten eingeholt, das Reparaturkosten von 3.000 EUR netto auswies. Während eines Aufenthalts in der Türkei ließ der Kläger sein Fahrzeug vollständig reparieren – und zwar fach- und sachgerecht. Zu den Reparaturkosten machte er hingegen keine Angaben. Seine Klage auf Schadensersatz – unter anderem die im Gutachten festgestellten Reparaturkosten – hat das Amtsgericht Meinerzhagen (AG) zurückgewiesen. Die Klage sei laut AG unschlüssig, da der Kläger nur die in der Türkei tatsächlich angefallenen Reparaturkosten verlangen könne. Und eben dazu habe er nichts vorgetragen. Auf die Berufung des Klägers hin hat dann das Landgericht Hagen dieses Urteil teilweise abgeändert und dem Kläger die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zugesprochen (unter Berücksichtigung einer Haftungsquote in Höhe von 40 %). Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten war erfolglos.
Der BGH stellte klar, dass es keine Verpflichtung für den Kläger gibt, zu den tatsächlichen Reparaturkosten vorzutragen. Dem Geschädigten kann nicht mangels Vorlage einer Reparaturkostenrechnung oder mangels Vortrags zu den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten Schadensersatz versagt werden. Richtschnur für den vom Schädiger zu leistenden Ersatz sind nicht die vom Geschädigten tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten, sondern der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag. Bei der Ermittlung dieses Betrags sind im Rahmen der fiktiven Abrechnung Gesichtspunkte, die eine tatsächlich durchgeführte Reparatur (gleich an welchem Ort) betreffen, grundsätzlich irrelevant.
Hinweis: Der BGH stellt klar, dass die Rechte der Geschädigten bei der fiktiven Abrechnung im Hinblick auf eine nachfolgende Reparatur nicht beschnitten werden dürfen. Zu erstatten ist der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag, nicht tatsächlich entstandene Reparaturkosten.
Quelle: BGH, Urt. v. 28.01.2025 – VI ZR 300/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 06/2025)