Wird ein Erbschein auf der Grundlage eines Testaments beantragt, wird in der Regel auch das entsprechende Testament im Original vorgelegt. Wie mit dem Fall umzugehen ist, wenn das Testament im Original nicht auffindbar ist, war Gegenstand der folgenden Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG).
Der Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet. Nach seinem Tod hat die Ehefrau einen Erbschein beantragt und angegeben, dass kein Testament des Erblassers vorhanden sei. Etwa einen Monat später teilte sie dem Nachlassgericht mit, dass der Erblasser ein handschriftliches Testament hinterlassen habe, in dem er sie als Alleinerbin eingesetzt habe. Das Testament habe sie bislang aber nicht finden können. Mehrere Monate später reichte sie beim Nachlassgericht die Kopie eines von ihr eigenhändig geschriebenen und mit insgesamt drei Unterschriften versehenen Testaments vom 20.07.2018 ein, in dem die Eheleute sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Dieses Testament war von der Ehefrau, dem Erblasser sowie einem Zeugen unterschrieben worden. Der Sohn des Erblassers aus erster Ehe beantragte hingegen die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins auf der Basis der gesetzlichen Erbfolge. Nachdem das Nachlassgericht zunächst noch einen Erbschein zugunsten der Ehefrau auf der Basis der Kopie des Testaments erteilt hatte, hob das OLG diese Entscheidung wieder auf.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Ehefrau die Feststellungslast für das von ihr vorgelegte Testament trägt, das jedoch nur in Kopie vorliegt. Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist zwar nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig; Form und Inhalt des Testaments können mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden – auch durch Vorlage einer Kopie oder die Benennung von Zeugen. Hier konnte die Ehefrau den Beweis über die Errichtung eines formgültigen Testaments nach Ansicht des Gerichts nicht führen. Zweifel an der Errichtung des Testaments gingen daher zu Lasten der Ehefrau. In Ermangelung einer Verfügung von Todes wegen kam stattdessen die gesetzliche Erbfolge zum Tragen – mit der Folge, dass ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen war.
Hinweis: Im Fall der Unauffindbarkeit eines Testaments besteht keine Vermutung, dass dieses vom Erblasser vernichtet worden ist.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 03.04.2025 – 3 W 53/24
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(aus: Ausgabe 06/2025)